Der Gott des Gemetzels

von Yasmina Reza

aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel

Regie: Simon Solberg

Premiere 23.01.
Termine & Karten

Zwei 11-jährige Jungen prügeln sich im Park, der eine schlägt mit dem Stock zu, der andere verliert zwei Schneidezähne. Nichts Dramatisches, eigentlich. Unter zivilisierten Menschen, wie die Eltern es sind, klärt man solche Dinge – natürlich auch versicherungstechnisch – im persönlichen Gespräch bei Espresso und Selbstgebackenem. Also treffen sich Alain und Annette mit Véronique und Michel, um zu beraten, wie man pädagogisch richtig auf die Kinder einwirkt, so konsensbemüht und politisch korrekt, wie es sich heutzutage in unseren westlichen Gesellschaften gehört. Schnell ist dann auch das Schuldeingeständnis in die Maschine getippt. Nach ein paar Minuten scheint alles einvernehmlich geklärt zu sein. Schnell noch einen Kaffee, ein wenig Alkohol – und erledigt ist die kleine Panne. Doch dann zieht sich das hin. Mehr und mehr. Ein paar Worte hier, dort einige Na-Ja-Bemerkungen, ein Satz ergibt den anderen, und dieser an sich friedliche Familienbegegnungsnachmittag gerät plötzlich außer Kontrolle. Welcher der beiden Jungs war denn nun tatsächlich der Schuldige? Deutet Ferdinands rabiates Verhalten nicht auf Eheprobleme zwischen Alain und Annette hin? Was ist schlimmer: dass die hypernervöse Annette quer über Véroniques Kunstbände kotzt, oder dass Véronique das Wohlergehen ihrer Bücher deutlich mehr am Herzen liegt als das ihres Gastes? Dass Michel den Hamster seiner Tochter ausgesetzt hat, oder dass Alain einen Pharmakonzern mit einem gesundheitsgefährdenden Medikament juristisch vertritt, und zwar ständig, am Handy. Sehr laut und deutlich. Was zu so einigen nervlichen Anspannungen führt. Irgendwann brechen alle moralischen Dämme. Sticheleien werden zu Wortgefechten, verbale Attacken zu Handgreiflichkeiten. Und plötzlich befinden sich diese vier anständigen Erwachsenen mittendrin – im Disput um ihre eigenen Unzulänglichkeiten. Wobei ständig die Positionen und Koalitionen wechseln. Es wird immer lauter. Und komischer. Mit diabolischem Humor und erbarmungsloser Treffsicherheit spießt Yasmina Reza in ihrem Stück die moderne bürgerliche Gesellschaft auf, die hin- und hergerissen ist zwischen aufgeklärter Vernunft und allzu menschlichem, egoistischem Konkurrenzkampf. So verbindlich und watteweich wir uns auch geben mögen, am Ende behält einer die Oberhand: Der Gott des Gemetzels.

Yasmina Reza, 1959 geboren, ist Schriftstellerin, Regisseurin und Schauspielerin und die meistgespielte zeitgenössische Theaterautorin. Bei Hanser erschienen u.a. Glücklich die Glücklichen (Roman, 2014), Babylon (Roman, 2017), für den sie mit dem Prix Renaudot 2016 ausgezeichnet wurde, Kunst (Schauspiel, 2018), DER GOTT DES GEMETZELS (Schauspiel, 2018), Bella Figura (Schauspiel, 2019), Drei Mal Leben (Schauspiel, 2019), Anne-Marie die Schönheit (2019), Serge (Roman, 2022) und James Brown trug Lockenwickler (Schauspiel, 2023). Für ihr Werk wurde sie zuletzt mit dem Jonathan-Swift-Preis 2020, dem Premio Malaparte 2021, dem Prix de l'Académie de Berlin 2022 und dem Prix Mondial Cino del Duca 2024 ausgezeichnet. Das Theaterstück DER GOTT DES GEMETZELS wurde 2011 sehr erfolgreich von Roman Polanski verfilmt, hochkarätig besetzt mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly.

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