DAS KOMISCHE WOHNT AN ALLEN ORTEN – BIS ES NICHTS MEHR ZU LACHEN GIBT

Der Staatsstreich ist geglückt. Multiple Krisen und von langer Hand geplante Umsturzszenarien haben die alte Regierung weggefegt. Wie ein Quasikönig regiert Heinrich Bolingbrock mit seinen Gefolgsleuten das Land. Doch Heinrich ist alt und krank und es ist kein geeigneter Nachfolger in Sicht. Im Schatten dieser strauchelnden Herrschaft laufen die Geschäfte in Frau Flotts Containerkneipe hingegen ausgesprochen gut. Dort schlägt sich John Falstaff mit seinem Intimfreund Harri die Nächte um die Ohren – ein ungleiches Paar, verbunden durch die gemeinsame Lust an scharfzüngiger Rede und reichlich Bier. Als Harri jedoch aus dem Zentrum der Macht ein unmoralisches Angebot erreicht, wirft das nicht nur auf die Zukunft des Staats, sondern auch auf Johns Freundschaft zu Harri ein neues Licht.

Autor Ewald Palmetshofer hat viele Jahre an dieser Überschreibung, basierend auf Shakespeares HEINRICH IV, gearbeitet. Herausgekommen ist das Stück zur Stunde. Er beschreibt in seinem im Versmaß verfassten Drama die Mechaniken der Autokratie, die Macht des Geldes, das Auseinanderdriften von Regierung und Bürgerschaft.
Im Rahmen der Uraufführung im Januar 2025 am Residenztheater in München beschrieb er der stückbetreuenden Dramaturgin Constanze Kargl seine Arbeit an SANKT FALSTAFF als Versuch, »sprachlich stark zuzugreifen und sehr geformt zu arbeiten. Ich habe mir«, so Palmetshofer weiter, »von Shakespeare einige Figuren ausgeliehen und sie mir als Menschen von heute vorgestellt. Ich wollte das Königsdrama weitgehend abstreifen und herausfinden, was diese Gattung innerhalb einer nicht-monarchischen politischen Ordnung bedeuten könnte. Darum habe ich das politische Setting anders verortet: Aus Shakespeares König ist in meinem Stück ein Quasi-König geworden, eine Politikerfigur der Gegenwart, die sich allerdings wie ein König verhält – autoritär und mit absoluter Machtkonzentration.«

Was Palmetshofer beibehalten hat, sind die zwei sehr verschiedenen Orte, an denen das Stück spielt – das Haus der Macht, von dem aus Heinrich regiert, und die Kneipe, in der sich John versucht, seine Situation schönzutrinken. Palmetshofer bemängelt an Shakespeares Original jedoch, dass »die beiden Welten getrennt sind und ganz klar hierarchisch geordnet, die Kneipensprache ist verlottert, bei Hof spricht man hingegen gehoben und mit Gewicht. Ich habe versucht, diese Ordnung in meinem Text ein bisschen aufzumischen – sprachlich und nicht zuletzt durch ein Spielprinzip, wodurch manche Schauspielerinnen und Schauspieler Figuren in beiden Sphären verkörpern. Ich würde sogar sagen, dass ich die Welten nicht bloß sprachlich angeglichen habe, sondern dass das Derbe den Schauplatz gewechselt hat. Die Sprache im Haus der Macht ist völlig entgrenzt und verroht, während man in der Kneipe durchaus im Versmaß zu sprechen in der Lage ist. Ich habe auch versucht, die Verteilung des Komischen anders zu behandeln, als Shakespeare es in seinem Stück tut. In meinem Text ist das Komische an allen Orten – anfangs –, bis es nach und nach weicht, weil es an keinem der Orte mehr etwas zu lachen gibt. Auf diesem Weg, über den sich die Komödie ins Tragische verwandelt, wird das System Heinrich nach und nach seine Strategien offenlegen und aussprechen, was es tut und was es ist. Dabei wird sein innerster Nihilismus sichtbar und das, was in seinem Herz wohnt: die Gewalt.«