KOMÖDIE DER EINSAMKEIT!

Einsamkeit und Komödie?

Zu den zweifelsfrei einsameren Stunden im Leben eines Theaterautors gehören die, in denen er allein am Schreibtisch sitzt und versucht, einen Titel für ein neues Stück zu finden. Zumal wenn, wie es dem Autor dieser Zeilen neulich erging, ein Titel gefunden werden will für ein Auftragswerk, das noch gar nicht geschrieben ist, da es als Stückentwicklung, nun ja, auf den Proben erst entwickelt werden wird.

Immerhin, wenn es auch zum Zeitpunkt der Titelsuche noch keinen Stücktext gab, das Thema stand schon fest: Einsamkeit.

Einsamkeit ist mehr als bloßes Alleinsein, sie beschreibt das Gefühl, von der Welt abgekoppelt zu sein; betrifft Junge und Ältere und die in der Mitte des Lebens auch; kommt in allen – auch den besten – Familien vor; meint die diffuse Sehnsucht nach Berührung, danach, gesehen zu werden, gefunden zu sein.

Auf der Liste, auf der neulich der besagte Autor, also ich, dann verschiedene Titelideen sammelte, standen zunächst folgerichtig sehnsuchtsvoll angehauchte erste Versuche wie: ICH AM MEER oder SO WEIT ES DAS LICHT ZULÄSST. Und überhaupt erschienen mir, dem neulich bald verzweifelnden Titelsucher, alle Ideen zu negativ. Die Welt, las ich irgendwo, scheint dem Einsamen als unaushaltbar – bei nüchterner Betrachtung scheint sie mittlerweile allerdings auch dem Nichteinsamen als unaushaltbar. Doch dieser Unaushaltbarkeit der Welt gilt es etwas entgegenzusetzen, gerade im Titel, dachte ich neulich.

Also versuchte ich es mit Hoffnungsvollerem: LOB DER EINSAMKEIT oder MENSCHEN, DIE NIE EINSAM SIND etwa.

Eine KI, die ich höflich um fröhliche Titel für ein Stück über Einsamkeit bat, schlug EINSAMKEIT IN LUSTIGEN TÖNEN und EINSAMKEIT IN HEITEREN NOTEN vor, wunderbar – für einen Leitfaden zur Erlernung des Blockflötenspiels, ja, aber für einen Theaterabend...?

Eine weitere Überlegung war PORZELLAN FÜR ACHTZIG ACHTZIGJÄHRIGE. Porzellan klingt nach Kaputtgehen, und in Komödien, das ist das Schöne, ist es lustig, wenn was kaputt geht. Denn eine Komödie muss es werden, das wurde mir neulich klar, angesichts einer Welt, in der alles kaputt geht, Brücken, internationale Beziehungen, die Umwelt...

Komödie ist eine Form der tiefen Erkenntnis. Sie macht das Allzumenschliche sichtbar und negiert dabei das Tragische nicht, sondern umarmt es. Die Komödie würde erlauben, die Mechanismen der Einsamkeit sichtbar zu machen, ohne der Sentimentalität zu verfallen.

Einsamkeit ist eine Gemeinsamkeit, die wir teilen. Komik eine Strategie, Angst zu überwinden. Lachen vereint. Und eröffnet Räume, in denen das Schmerzliche sagbar wird. Und im abebbenden Lachen, in der Lücke zwischen dem letzten Gluckser und der nächsten Pointe, tritt jene Wahrheit zutage, die nur die Komödie fassen kann.

KOMÖDIE DER EINSAMKEIT, stand neulich irgendwann auf dem Papier. Wie es genau da hin kam? Keine Ahnung.

Text von Jan Neumann

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