Leidenschaft trifft Vermittlung

10 Jahre Opernführer am Theater Bonn

Jeden Abend, wenn sich die Türen der Oper Bonn öffnen, stehen sie bereit: Menschen mit rotem Schal und einem offenen Ohr. Sie führen nicht über die Bühne, nicht durch die Kantine, sondern mitten hinein in die Welt von Verdi, Puccini oder Reznicek – ehrenamtlich, mit Herz und Sachverstand.

Die Opernführerinnen und Opernführer sind längst zu einer festen Institution geworden. Seit der Spielzeit 2014|15, als Giovanna d’Arco den Auftakt gab, stehen sie Abend für Abend im Foyer – als Ansprechpartner für alle, die mehr wissen wollen: über Werk, Komponist, Regie oder Bühnenbild. Wer vergessen hat, wie die Handlung verlief, wer sich fragt, warum der Chor plötzlich moderne Anzüge trägt, oder wer einfach mal erzählen will, was er bei der letzten TOSCA gefühlt hat, sie hören zu. Und erzählen zurück.

Begegnung statt Belehrung

In der Spielzeit 2024|25 feiern sie nun ihr zehnjähriges Jubiläum – zehn Jahre Engagement, Gespräche, Opernliebe. Zehn Jahre Ehrenamt im Dienste der Kunst.

Das Besondere: Sie sind keine studierten Dramaturgen, keine hauptamtlichen Kulturvermittler. Sie sind Lehrer, Rentner, Juristen oder Studierende. Sie eint: Neugier, Liebe zur Oper und Freude am Austausch. Sie lesen sich in die Materie ein, diskutieren in Workshops, treffen Sänger, Regisseure, Bühnenbildner. Und sie sitzen bei Proben, wo andere nicht hinkommen.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt von der Musiktheaterpädagogin und stellvertretenden Generalintendantin Rose Bartmer. Inspiriert von der Documenta in Kassel, wo Bürger durch die Ausstellung führten, wollte sie ähnliches für Bonn. Die Idee: keine Belehrung, sondern Begegnung. Kein Frontalvortrag, sondern Gespräch auf Augenhöhe.

Und der Bedarf ist da. Gerade weil vielerorts die Stellen in den Dramaturgie-Teams schrumpfen, wächst die Bedeutung dieser Freiwilligen. Sie fangen auf, was fehlt. Und sie schaffen etwas Neues: Nähe. Viele Opernbesucher erleben ihren Abend durch den Austausch im Foyer intensiver. Sie gehen hinein, mit einem Bild im Kopf – und kommen hinaus, mit einem anderen Blick.

Mittlerweile führen die Ehrenamtlichen nicht nur vor Neuproduktionen. Sie laden zu Generalproben oder begleiten Gruppen, die das Haus über soziale Träger besuchen – etwa Caritas, Lebenshilfe oder Gemeindepsychiatrie. Auch Seniorinnen und Senioren, die vormittags über soziale Einrichtungen ins Haus kommen, erhalten persönliche Einführungen. Die Oper bekommt so ein Gesicht: offen, menschlich, nahbar.

Etwa Dreißig Opernführer sind es derzeit – einige sind von Anfang an dabei. Vier von ihnen sind pro Vorstellung im Einsatz, erkennbar an Button und rotem Schal. Wer dazugehören will, braucht keine Theater- oder Musikwissenschaft – nur Begeisterung und den Willen, Wissen weiterzugeben. Und: Zeit. Denn mit einer Einführung allein ist es nicht getan. Wer führt, muss sich vorbereiten und verstehen, was da auf der Bühne passiert.

Bei der nächsten Premiere stehen sie wieder da. Eine Stunde vor Beginn. Mit klarer Stimme, ohne Pult, aber mit umso mehr Leidenschaft.

Für die restliche Spielzeit 2024|25 bieten die Opernführer noch zwei exklusive Probeneinblicke an – und man kann sich noch anmelden:

Am 5. Juni HOCHZEIT (SVADBA) von Ana Sokolović | Werkstatt | 18.30 Uhr

Am 10. Juni MUSIK FÜR DIE LEBENDEN von Gija Kantscheli | Bar65 | 17.30 Uhr

Anmeldung hier