DER STURM
Ein Familienstück nach William Shakespeare und August Wilhelm Schlegel in einer Bearbeitung von Jens Groß

Die Dramaturginnen CARMEN WOLFRAM und SUSANNE RÖSKENS stellen das Familienstück DER STURM nach WILLIAM SHAKESPEARE und AUGUST W. SCHLEGEL in einer Bearbeitung von Schauspieldirektor JENS GROS vor.
Fast märchenhaft kommt Shakespeares letztes Drama daher. Eigentlich ist der Inhalt schnell erzählt: Zwei Brüder, eine Intrige, eine Flucht, ein Racheakt. Viel Magie, Machtkämpfe und Liebe winden sich durch das Bühnenstück, das William Shakespeare bereits im Jahre 1611 erstmalig zur Aufführung brachte. Nun, über 400 Jahre und viele Adaptionen später, liegt die Insel, die Ort der Handlung ist, wieder vor uns und wir schauen uns das Ganze noch einmal genauer an:
Prospero ist Herrscher über eine abgelegene Insel im Ozean und hat mit Hilfe des Luftgeistes Ariel einen schrecklichen Sturm entfesselt. Der tobende Orkan hat ein Schiff zum kentern gebracht, das nah vorbeisegelte. Alle Passagiere können sich aus der Katastrophe des Schiffbruchs ans Ufer des Eilandes retten. Schnell bemerkt man, dass Prospero mit einigen der Gestrandeten eine Rechnung offen zu haben scheint, ja offenkundig seine alten Widersacher mit diesem Zauber auf seine Insel gelockt hat, die auf diese Weise unversehens recht bevölkert wirkt. Denn Prospero war nicht immer Herrscher über den unwirtlichen Flecken im Meer, sondern einst regierender Herzog der reichen und mächtigen Stadt Mailand. Bis sein eigener Bruder Antonio ihn von dort vertrieb und mitsamt seiner kleinen Tochter Miranda in einer Schaluppe im offenen Meer aussetzte und sich anschließend selber die Herzogskrone aufsetzte. Wundersamerweise gelang den beiden ihre Rettung auf eine ausschließlich von Zauberwesen besiedelte Insel. Deren Bewohner – die Hexe Sycorax, ihren Sohn Caliban und den Luftgeist Ariel – machte sich Prospero dank seiner eigenen magischen Kräfte zu dienstbaren Geistern. Miranda ist hier erwachsen geworden. Nun also ist sein Bruder Antonio neben der Königin von Neapel und deren Sohn Ferdinand unter den Gestrandeten des Schiffbruchs. Auch sie haben bei Prosperos Vertreibung eine unrühmliche Rolle gespielt.
Nachdem die Schiffbrüchigen aus dem von Ariel verursachten Zauberschlaf erwachtsind, irren sie hilflos und ziellos auf der Insel umher. Auch Caliban treibtsich herum. Er sieht in Prospero einen Tyrannen, der ihn selbst um die Herrschaft über die Insel betrogen hat. Und für diesen scheint nun also die Stunde der Rache gekommen zu sein…
So würde man es auf jeden Fall erwarten. Schließlich befinden wir uns auf einer Bühne, in einem Illusionsspiel, in einem Drama Shakespeares und Rache sorgt immer für gute Unterhaltung. Aber stattdessen stellt das Stück mit Prospero eine zentrale Frage, die bis heute unglaublich relevant ist. Wie soll man zusammenleben, an diesem Ort, an dem alles möglich zu sein scheint, und wer soll darüber verfügen, wie hier künftig gelebt wird? Dieses Stück Weltliteratur wird dadurch auch für Familien und Kinder ab zehn Jahren interessant, spannend und aktuell. Wie möchte ich gerne leben? Was wünsche ich mir? Welche Utopien sind vielleicht gar nicht so utopisch, sondern realisierbar? Bin ich Prospero oder Antonio? Oder keiner von beiden? Bin ich Miranda, Ferdinand oder gar Ariel oder Caliban? Auf der Insel ist nichts so, wie es im ersten Augenblick scheint.
Geheimnisvoll geben sich Charaktere und Orte, die es zu entdecken gilt – auf und auch hinter der Bühne. Denn wie zu vielen unserer Theateraufführungen bieten wir vorbereitend theaterpädagogische Workshops an, die sich kreativ und szenisch an die Themen herantasten. Ganze Schulklassen schlüpfen in die Rollen, diskutieren, probieren aus und verhandeln spielerisch die Utopien. Schauspieldirektor Jens Groß hat in seiner Bearbeitung des Stückes, die auf der klassischen Übersetzung von A. W. Schlegel beruht, genug Raum und Platz für eben diese aktuellen Fragen gelassen, die uns anregen, aktiv mitzudenken. Mitdenken, während wir über das großartige, musikalische und bunte Spektakel staunen, das Regisseur Jan Neumann auf der großen Schauspielbühne inszeniert hat.
Bühnenbildner Matthias Werner gelingt es, einen wahren Bühnenzauber zu entfalten. Von der leeren Shakespeare Bühne, die spielerisch viel Raum für Fantasie und Zauber lässt, bis hin zu abwechslungsreichen Kulissen, die der Insel unterschiedliche Gesichter und Perspektiven geben. Sein Bühnenraum spielt mit Größenverhältnissen genau so wie mit Phänomenen, die die Unmittelbarkeit des Theaters hervorheben und das Publikum mit allen Sinnen in das Geschehen auf der Bühne einbeziehen. Wie genau das funktioniert?
Einen besonderen Einblick in diesen Entstehungsprozess der Aufführung bietet digitales Vermittlungsmaterial in Form eines Scrollytellings (scrollen + Storytelling). Wo und wie wird das Bühnenbild gebaut? Was genau macht eigentlich die Regie? Wer steht auf der Bühne? Was denken Schauspielerinnen und Schauspieler über ihre Rollen? Wie werden die Schauspielenden durch Kostüm und Maske in magische Halbwesen verwandelt? Warum Shakespeare? Das Scrollytelling findet die Antworten und deckt auf, was hinter den Kulissen passiert. Zahlreiche Videos, Fotos, Interviews und interaktive Elemente geben auf kurzweilige Art und Weise ein vielfältiges Bild von der Arbeit an der Inszenierung.
Premiere am 25. November | Schauspielhaus