REQUIEM | MANOLITA CHEN
Beijing Dance Theater (China)
Choreografie: Yuanyuan Wang / Marcos Morau
Musik: W. A. Mozart (Requiem d-Moll, KV 626) / spanische Flamenco-Musik
(u.a. unter Verwendung von Ravels BOLÉRO)
14 Tänzerinnen und Tänzer
Der lateinamerikanische Schriftsteller Hector Tizón beschreibt das Leben als einen langen Spaziergang ums eigene Haus. Manchmal muss man sich weit von der Heimat entfernen, um das Eigene zu erkennen. Sich in die Ferne zu begeben und so sich neu zu entdecken, ist auch das Motto des chinesischen BEIJING DANCE THEATER und seiner Direktorin Yuanyuan Wang. Sie ist bekannt dafür, westeuropäische Musik und traditionelle Elemente der chinesischen Kultur miteinander zu verbinden. Der Blick auf Fernost ist für die westliche Kultur nicht mehr ganz ungewohnt. Der umgekehrte Blick - von Asien nach Europa -aber ist nicht minder spannend. Marcos Morau, künstlerischer Leiter der spanischen Compagnie La Veronal, hat die Einladung nach Beijing angenommen und von dort auf seine Heimat, die Heimat des Flamencos, geschaut.
Im REQUIEM, dem ersten Teil des Abends, beschäftigt sich Yuanyuan Wang mit Mozarts gleichnamigem Werk. Die Entstehungsgeschichte und Qualität der nachträglichen Ergänzungen werden seit langem heftig diskutiert. Obwohl die Komposition nur zu etwa zwei Dritteln tatsächlich von Mozart selbst stammt, ist es eines seiner beliebtesten und am höchsten eingeschätzten Werke. Mozart starb während der Arbeit. Der Komponist Joseph Eybler und Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr führten sie zu Ende. Kompositionsauftrag und der zeitliche Zusammenhang mit Mozarts frühem Tod haben eine üppige Mythenbildung angeregt.
"Religion pflegt einerseits den schönen Gedanken an den Garten Eden, andererseits aber werden im Namen der Religion Kriege geführt und Menschen getötet. Engel und Dämonen tanzen miteinander, so wie Gut und Böse ebenso wie Schönheit und Hässlichkeit nicht auseinanderzuhalten sind. Die Menschheit sucht seit Langem nach einem spirituellen Platz, um die Seelen ruhen zu lassen. Ohne dies sind wir in der Körperlichkeit verloren. Wir sollten wieder lernen zu verstehen, wo und wie unsere geistige Führung entsteht", so Yuanyuan Wang. "Traditionen können zu groß und damit hinderlich sein. Wir müssen uns wie Fremde ins eigene Land werfen. Aus der Nähe sieht alles so gewöhnlich aus. Aus der Ferne können wir uns neu verlieben", so beschreibt der in aller Welt gefragte Choreograf Marcos Morau die Intension seiner Kreation MANOLITA CHEN, die er für Chinas bekanntestes zeitgenössisches Tanztheater geschaffen hat. Das von Chen Tse-Ping und Manolita Chen im Jahre 1950 gegründete und reisende chinesische Zirkustheater war ein spanisches Unternehmen mit 50 internationalen Künstlern, das Zirkus mit Varieté verband und von 1950 an 40 Jahre durch die Lande zog.
Marcos Morau, geboren in Spanien, studierte Choreografie am Conservatorio Superior de Danza in seiner Heimatstadt Valencia, am Institut del Teatre in Barcelona und am Movement Research in New York. Zudem besitzt er einen Masterabschluss in Theatertheorie. Er beschränkt sich in seinen Kreationen nicht auf die Kunstform Tanz, sondern setzt in seinen Arbeitsprozessen auf weitere Disziplinen wie Fotografie und Theater. Ohne jemals selbst Tänzer gewesen zu sein, gründete Morau 2005 seine eigene Companie La Veronal, deren Mitglieder aus verschiedenen Kunstsparten stammen: Tanz, Film, Fotografie und Literatur.
Der Kern seines Schaffens liegt in der Interdisziplinarität. Sein Interesse liegt in der Entwicklung einer eigenen Erzählsprache und der Erforschung unterschiedlicher Ausdrucksformen und –mittel. 2013 erhielt er den National Dance Award, der ihm vom spanischen Amt für Kultur verliehen wurde. Außerdem ist er Preisträger des Sebastià Gasch Awards, ein wichtiger Preis der FAD – Foundation for Arts and Design. Seine Kreationen haben ihm auch bei internationalen Choreografiewettbewerben Auszeichnungen eingebracht, beispielsweise in Hannover, Kopenhagen und Madrid. Er arbeitete für renommierte Compagnien weltweit wie die Compañía Nacional de Danza in Spanien, Scapino Ballet Rotterdam, GöteborgOperans Danskompani, Ballet de Lorraine, Ballet du Rhin, Carte Blanche in Norwegen, das Royal Danish Ballet in Kopenhagen oder die Korean Contemporary National Dance Company in Seoul.
Yuanyuan Wang ist eine der führenden Choreografinnen in China. Geboren und aufgewachsen in Peking studierte sie Choreografie an der Beijing Dance Academy, an der sie später als Lehrerin und Tutorin arbeitete. Gleichzeitig gewann sie als Tänzerin und Choreografin hohe Auszeichnungen bei internationalen Wettbewerben in Shanghai, Paris, Seoul und Moskau. Von 2000 bis 2002 absolvierte sie ihren Master of Fine Arts (MFA) am California Institute of Arts (Cal Arts) School of Dance in Los Angeles.
Die Entwicklung des modernen Tanzes in China hat Wang federführend mitgestaltet. Im Jahre 1998 wurde sie Hauschoreografin für das National Ballet of China. Im folgenden Jahr wurde ihr Werk BUTTERFLY LOVER in der Halle des Volkes für den 40. Jahrestag des National Ballets sowie eine chinesische Version des NUSSKNACKER uraufgeführt. 2003 wurde sie als Gastchoreografin des New York City Ballets eingeladen. Sie hat wichtige Werke für chinesische Regisseure choreografiert, einschließlich einer Ballettversion von Raise the Red Lantern für den Regisseur Zhang Yunou und die Tanzsequenzen für Tan Dun's The Banquet (eine chinesische Adaption von Hamlet) unter der Regie von Feng Xiaogang. Außerdem hatte sie die Ehre für die Olympische Eröffnungsfeier in Beijing 2008 zu choreografieren. Ihre Arbeiten werden rund um den Globus in den Vereinigten Staaten, Russland, Japan, Frankreich, Bulgarien, Dänemark, Singapur und Australien gezeigt.
Im Jahr 2008 gründete Yuanyuan Wang das BEIJING DANCE THEATER in Zusammenarbeit mit dem Lichtdesigner Han Jiang und dem Bühnendesigner Tan Shaoyuan. Die Compagnie umfasst 14 Tänzerinnen und Tänzer, die alle eine Tanzausbildung im klassischen Ballett haben. Das Beijing Dance Theater ist die erste chinesische Compagnie, die klassisches Ballett mit Modern Dance verschmilzt. Schon im Mai 2011 gastierte das Beijing Dance Theater mit HAZE im Bonner Opernhaus.