blut wie fluss
Uraufführung von Fritz Kater | Regie Armin Petras

In dem neuen Werk von Fritz Kater blut wie fluss (im Spielzeitheft noch unter dem Arbeitstitel LABYRINTH angekündigt) geht es um die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der Stadt, die einige Jahre als deren Hauptstadt firmierte: Bonn.
Der Text spielt mit unterschiedlichen Zeitebenen und verknüpft Biografien historischer Personen mit den Schicksalen und Erfahrungen lebender Menschen. So entsteht ein Porträt der heutigen Stadtlandschaft auf dem Hintergrund ihrer Geschichte:
Da ist beispielsweise Milena, die Probleme mit ihrem Vater hat, der ein hohes Tier der vergehenden Bonner Republik ist und seine Frau mit Willy Brandts Sekretärin betrügt.
Jahre später beschäftigt sie sich als Historikerin mit dem Politiker Brandt und der Frage, wie seine Lebenserfahrung – die Arbeit im antifaschistischen Widerstand – die Entwicklung und Durchsetzung seiner Vision eines demokratischen Staates beeinflusst hat.
Wie wichtig ist konkrete, eigene historische Erfahrung als Voraussetzung und Instrument für gelingende Politik? Was führt zu ihrem Misslingen? Hätte sich durch eine weitere Kanzlerschaft Willy Brandts, die anscheinend durch die Tätigkeit der DDR-Staatssicherheit und konkret durch die Operation eines einzelnen Spions bzw. Kundschafters – Günter Guillaume – 1974 beendet wurde, eine andere Bundesrepublik entwickelt? Auch dessen Enttarnung und Verhaftung spielen in dem Text eine Rolle, reflektiert vor allem aus der Perspektive seines Sohnes Pierre.

Hätte also bei einer geringfügigen Änderung von politischen Konstellationen die deutsche und damit internationale Geschichte anders ausgesehen?
Wie reagieren Menschen auf den Verlust von Status und umgekehrt, von welchen
Utopien verabschieden sie sich im Falle eines Machtzuwachses?
Welche Faktoren oder Menschen beeinflussen den Verlauf der Geschichte?
Wie entstehen und wandeln sich Wunsch- und Sehnsuchtsbilder mit der Veränderung von Gesellschaft?
Was bewirkt welche Veränderungen im Prozess der Zivilisation?
Welche Vorteile hat das und welcher »lebendiger Strukturen« wird der Mensch dadurch eventuell beraubt?
Das Stück beschreibt die Bonn umgebende Rheinebene als durchgehende Landschaft und damit vorherrschende Perspektive, wechselt aber in den Zeitebenen, arbeitet mit zeitlichen Vor- und Rückgriffen. Das erste Bild führt uns in das Jahr des großen Rheinhochwassers 1993: Milenas Gedanken schweifen ab zu dem Nachbarn, dessen Mercedes bereits im Schlamm steckt und zu einem Heißluftballon, der ihren Blick mitnimmt nach oben, wo man den Rhein bis Basel sieht. Überall steigt das Wasser, wird zur Flut – die natürlich auch an die Katastrophe im Ahrtal erinnert –, wird zur Metapher fürs Werden und Vergehen: von Besitz, von Beziehungen, von Menschenleben, von Menschheit.
Der neue Text von Fritz Kater entstand als Auftragswerk für das Theater Bonn; seine Uraufführung besorgt der Regisseur Armin Petras.
Text von Carmen Wolfram
Zur Produkion blut wie fluss | Premiere am 31. März im Schauspielhaus
